Vertriebsschmerzen? Risiken und Nebenwirkungen von CRM.
Allheilmittel? Wunderwaffe? Führungsdroge?
Die Wirkung eines CRM-Systems auf das eigene Unternehmen und dessen Kunden wird häufig maßlos überschätzt und führt nicht selten in eine unternehmerische Sackgasse, aus der nur schwer wieder herauszukommen ist.
Alles für alle – immer?!
Big data, alles ist machbar, Speicherplatz kostet nichts – welche Versprechen (im wahrsten Sinne des Wortes hat sich da schon manch einer versprochen) werden nicht von den vermeintlichen IT-Gurus im Glauben an die technische Machbarkeit gerade mittelständischen Führungskräften in Marketing, Vertrieb und Geschäftsführung gemacht. Als sei alles nur eine Frage der Programmierung, als könne man komplexes Kunden- und Vertriebsgeschehen in einen simplen Algorhythmus packen, dem die reale Welt dann zu gehorchen habe. Und so wird dann der Hut, der niemandem so richtig passt, über alle Köpfe gleichzeitig gestülpt. Mal ist der Hut zu klein, mal zu groß, mal zu bunt, mal zu alt – und der Köpfe sind viele.
Will heißen – da es ja technisch kein Problem sei – wird alles, was das Programmpaket kann auf alle Kunden angewendet und das für alle Geschäftsvorfälle und alle Kunden-Kontakte im Zeitablauf. Allwissend wird dadurch die Unternehmens- oder Vertriebs- und Marketing-Leitung noch lange nicht. Vielmehr wird sie zum Verwalter der durch IT-Glaube und vermeintliche technische Machbarkeit erzeugten Komplexität und wird sich schnell fragen, wie sie den Teufel, den sie rief, möglichst schnell wieder los wird.
Führen oder kontrollieren?
Spätestens an der Reaktion der Mitarbeiter erkennt die Führungskraft, dass die Einführung eines CRM-Systems zu allererst eine Führungsaufgabe ist. Allzu oft kommt die Botschaft der Sinnhaftigkeit eines CRM-Systems bei den Mitarbeitern falsch an. Da es aber in der Kommunikation kein Empfängerproblem gibt, sondern nur ein Senderproblem, wird sich wohl die Führungskraft an die eigene Nase fassen müssen und an den Römerhauptmann im Asterix-Comic denken, der vor seinen Legionären steht und verzweifelt kundtut: „Sie sind alle so dumm und ich bin ihr Chef!“ Ist das, was falsch verstanden worden ist, falsch, weil es falsch verstanden werden wollte (Wer wird wohl so über seine Mitarbeiter denken?) oder weil es falsch kommuniziert wurde.
Wen wundert´s, wenn Besuchshäufigkeiten pro Kundengruppe vorgegeben werden, dass die „freiheitsliebenden Individualisten“ im Vertrieb dahinter die Kontrolle des Chefs vermuten. Noch diffiziler wird es, wenn im Vertrieb nicht eigene Mitarbeiter, sondern Handelsvertreter unterwegs sind. Einem Handelsvertreter nach HGB wird nur schwerlich einleuchten, etwas zu machen, wovor ihn das Gesetz „schützt“.
All das zeigt, dass ein CRM-System, insbesondere dessen Einführung und Kommunikation die erste Hürde der eigenen Mannschaft überwinden muss. Nur, wenn die eigenen Truppen dieses Tool in der gewünschten Weise nutzen, kann es seine Wirkung zeigen.
Nutzen! Aber für wen?
Aber warum wird die Einführung eines CRM-Systems überhaupt als Kontroll-Geißel empfunden. Die Antwort ist meist ganz einfach: Weil der Nutzen nicht klar genug kommuniziert wird. Und damit ist nicht der Nutzen für das Unternehmen und die Führungskraft gemeint. Vielmehr interessiert den Mitarbeiter, welchen Nutzen es für ihn bringt. Was hat der Vertrieb davon, den Kundenbesuch oder -anruf zu dokumentieren? Was soll er dokumentieren und was nicht? Warum? Was ist relevant und was nicht?
Wie wäre es, wenn der Vertrieb verstehen würde, wie er seinen Umsatz und damit seine Provision mit Hilfe des CRM-Systems steigern könnte? Das wäre dann die hohe Schule der Führungs-Kommunikation und würde die intrinsische Motivation des Vertriebes sicherlich fördern.
Customizing first.
Wer sich von den vermeintlichen IT-Spezialisten ein CRM-System von der Stange aufschwatzen lässt, der hat meist schon verloren. Wer glaubt, durch ein Customizing seien alle Probleme behoben, der sollte sich bewusstmachen, was warum wie einem Customizing unterzogen werden sollte. Häufig konzentriert man sich hier fälschlicherweise auf die Ausnahmen, ohne zuvor die Regel definiert zu haben. Die Regel aber ist etwas, was in den seltensten Fällen in den Unternehmen vorhanden ist: Ein definierter Vertriebsprozess mit seinen Phasen, klaren Verantwortlichkeiten, eindeutig beschriebenen Aktivitäten, funktionierenden (Kommunikations-) Werkzeugen und messbaren Zielen je Phase.
Soll das System auf den Prozess oder der Prozess auf das System angepasst werden? Wohl dem, der seinen Vertriebsprozess definiert hat. Am besten unter Mitarbeit der Mitarbeiter, auch das steigert die intrinsische Motivation. Wer über einen definierten Vertriebsprozess (ggf. nach Kundengruppen) verfügt, der sucht sich ein CRM-System, mit dem er seinen Vertriebsprozess bestmöglich abbilden kann und nicht umgekehrt. Ergänzt um Kostenziele, Qualitätsziele, Performance- und Service-Ziele sowie einen Ausblick sollte der klar definierte Vertriebsprozess die Grundlage für eine Ausschreibung an alternative Anbieter von CRM-Systemen dienen.
Mit den Richtigen das Richtige machen.
Nach der Entscheidung für einen Anbieter kommt es zur Gretchenfrage: Für wen soll das neue CRM-System angewendet werden? Meist wird diese Frage mit „für alle Kunden“ beantwortet. Das jedoch ist ökonomisch ineffizient. Wer aber den ersten Schritt vor dem zweiten macht, der führt zunächst eine Potenzialanalyse seiner Kunden durch und trifft erst dann eine Entscheidung, für wen das neue CRM-System Anwendung finden soll. Die Pareto-Optimalität gibt auch hier eine gute Hilfestellung: Bei den Kunden, die in Summe ca. 80% des Umsatzes machen (werden). Denn so fokussiert sich der Vertrieb auf die Wachstumsbringer. Auch das stärkt die intrinsische Motivation.
Am Ende gipfelt alles in dem einfachen Satz: Mit den Richtigen das Richtige machen! Das heißt:
- Mit den richtigen Mitarbeitern den Vertriebsprozess entwickeln.
- Mit den richtigen CRM-Anbietern verhandeln, deren System am besten auf den Vertriebsprozess passt.
- Den Nutzen für die Mitarbeiter bzw. Handelsvertretungen kommunizieren.
- Mit den Kunden das System anwenden und umsetzen, die 80% des Umsatzes machen (werden).
Professionelle Hilfestellung bei der Definition des Vertriebsprozesses, der Suche und Auswahl eines CRM-Anbieters sowie der Einführung des Systems erhalten Sie vom Autor dieses Artikels.
Bernd Müller