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Der Preis des Preises

Was der falsche Preis kosten kann!

Das beste Produkt, eine langjährige Entwicklungszeit, der Aufbau eines neuen Vertriebsweges – all das kann durch den falschen Preis in Nullkommanichts zunichte gemacht sein. Wer aber sagt Ihnen, welches der richtige Preis ist? Zumindest diese Antwort ist eindeutig: Niemand! Auch Pricing-Agenturen oder Pricing-Berater werden Ihnen die Verantwortung für die richtige Preisfestsetzung nicht abnehmen können, dafür sorgt mindestens der Haftungsausschluss in den Angeboten dieser sogenannten „Dienstleister“.

Der Autor dieses Artikels hat selber einmal den Versuch begangen, bei der Markteinführung eines innovativen Sortiments eine Pricing-Agentur zu beauftragen. Die ersten Bauchschmerzen zeichneten sich bereits beim Briefing-Gespräch ab. Unter dem Deckmantel der Wissenschaft wurden da Begriffe ins Feld geführt wie „Preiselastizität der Nachfrage“ und „Preisabsatzfunktion“ – all das ließ den Glauben an eine wahrhaftige Hilfestellung für eine unternehmerische Entscheidung schwinden. Als dann das Angebot zu horrenden Kosten für intensive Analyse- und Recherchearbeit inklusive Haftungsausschluss auf dem Tisch lag, sank die Lust zur Beauftragung des „Dienstleisters“ unter den Nullpunkt.

Die Erkenntnis festigte sich, dass unternehmerische Entscheidungen wohl nur von Unternehmern getroffen werden können und – dass der Preis des Preises mindestens die Höhe des Dienstleister-Angebots haben würde, das jedoch keine Garantie für die richtige Preisfestsetzung beinhaltete.

Kosten-Plus-Methode?!

Was also tun, um zum richtigen Preis zu gelangen? „Ganz einfach!“ werden einige vorschnell sagen: „Zu den Kosten addiert man seine Gewinnmarge und die Mehrwertsteuer, das ergibt dann den Preis!" Ein solcher Unternehmer mag vielleicht eine der vier Grundrechenarten, die Addition, beherrschen. Für die richtige Preispolitik scheint es ihm jedoch an Fingerspitzengefühl zu mangeln.

Auch wenn einige „monopolistische“ Märkte ein solches Vorgehen zulassen mögen, so bleiben doch zumindest die folgenden Fragen unbeantwortet:

  • Welche Kosten sind zugrundezulegen, fixe und variable Kosten, Einzel-und Gemeinkosten, …?
  • Beinhaltet die Gewinnmarge bereits die Ertragssteuern?
  • Wie berechnet sich die Gewinnmarge?

Ganz zu schweigen von Fragestellungen wie:

  • Wie werden die Kunden auf eine solche Preisstellung reagieren?
  • Welche Rolle spielen die Absatzmittler in der Preispolitik?
  • Was macht der relevante Wettbewerb?

Die größte Gefahr der Kosten-Plus-Methode besteht nun darin, „sich aus dem Markt zu preisen". Denn: Durch die Addition verschiedenster Kosten, einer Gewinnmarge und der Mehrwertsteuer kann im Ergebnis ein Preisniveau entstehen, dass die Marktteilnehmer (Kunden und Absatzmittler) nicht mehr zu zahlen bereit sind. Der Preis des Preises ist damit im Extremfall eine Nachfrage von Null!

Wettbewerbsorientierte Methode

Deutlich einfacher als der visionäre Blick nach vorne ist für viele Manager, Unternehmer und Berater häufig der Blick zur Seite: Was machen die anderen? Welche Preise haben die (relevanten) Wettbewerber im Markt? Dieser Blick zur Seite führt dann häufig dazu, sich mit seiner eigenen Preispolitik nicht allzu weit von der der Wettbewerber zu entfernen. Aber warum die Nähe zu den Wettbewerbern suchen, nur um sie nicht aus dem Blick zu verlieren?

  • Wer sind überhaupt die relevanten Wettbewerber?
  • Würden Kunden und Absatzmittler die gleichen Wettbewerber als relevant erachten?
  • Ist das Produkt oder die Dienstleistung überhaupt vergleichbar zum Angebot der Wettbewerber?
  • Sind es nicht die Kunden und Absatzmittler, die über die Gleichheit bzw. Ungleichheit eines Produktes oder einer Dienstleistung ihr Urteil abgeben sollten?

Der Preis des Preises liegt hier auf dem Niveau des nicht-ausgeschöpften Differenzierungspotenzials im Vergleich zum relevanten Wettbewerbs-Angebot aus Kunden- und Absatzmittler-Sicht.

Kunden- oder wertorientierte Methode

Was wären aktuelle und potentielle Kunden bereit, für das fragliche Produkt bzw. die Dienstleistung zu bezahlen? Welchen (Stellen-) Wert hat das Angebot für aktuelle und potentielle Kunden? Zugegeben, diese Fragestellungen gehören zu den schwierigsten beim Thema Preispolitik. Ein einfacher Fragebogen an einige wenige Probanden aus der avisierten Zielgruppe kann schon wichtige Antworten liefern. Wenngleich solch ein Fragebogen nicht direkt zum richtigen Preispunkt führt, so kann er doch helfen, Richtung und Abstand vom Angebot der relevanten Wettbewerber zu bestimmen.

Aber Achtung! Die kundenorientierte Methode kann natürlich auch zu einem Preis führen, der nicht kostendeckend ist. Der Preis des Preises wäre in diesem Fall so hoch wie die nicht gedeckten Kosten.

Methoden-Mix

Eine isolierte Anwendung der genannten Methoden hat immer ihren Preis. Die gemeinsame Anwendung der Methoden in Verbindung mit einem gerüttelt Maß an unternehmerischer Intuition führt sicherlich am ehesten zum richtigen Ergebnis.

Der richtige Preis soll die Kostensituation berücksichtigen, am Preisverhalten des relevanten Wettbewerbs orientiert sein und schließlich dem (Stellen-) Wert des Angebots für die aktuellen und potentiellen Kunden entsprechen.

Auch das noch!

Doch damit nicht genug, neben der gemeinsamen Anwendung der genannten Methoden gilt es, einige Besonderheiten bei der Preispolitik zu beachten, um den Preis des Preises möglichst niedrig zu halten:

In zwei- oder mehrstufigen Distributionssystemen kommt der Preisstellung an die Absatzmittler mindestens die gleiche Bedeutung zu wie der an die Endkunden. Zusätzlich können leistungsorientierte Konditionen eine absatzfördernde Wirkung haben (vergleiche dazu "Leistung lohnt sich" aus ARGOS II/2013).

Bei der internationalen Preispolitik gilt es, die Gefahr grauer Märkte im grenzüberschreitenden Warenverkehr einzudämmen.

Die Markteinführung eines neuen Produkts kann über penetration oder skimming pricing erfolgen. Bei Ersterem wird der Preis zur Markteinführung bewusst niedrig gesetzt, um Marktanteile zu erobern. Anschließend erfolgt eine Preisanpassung nach oben. Bei Letzterem wird der Preis zur Markteinführung bewusst hoch gesetzt, um Differenzierungspotenziale auszunutzen. Danach erfolgt eine Preisanpassung nach unten.

Auslaufpreise können zu zögerlich festgelegt werden. Eine zu zaghafte Preissenkung kann die erwünschte Absatzwirkung vermissen lassen und Kosten für Logistik, Handling und Kapitalbindung nach sich ziehen.

Und schließlich können Aktionspreise die Glaubwürdigkeit des Normal-Preisniveaus gefährden. Daher sollte sich die Kreativität von Marketing und Vertrieb auf anderen Feldern denn der Preispolitik unter Beweis stellen.

Aufgrund der drohenden Kosten eines falschen Pricing sollten Sie die Preispolitik in Ihrem Unternehmen zur Chefsache machen. Diese Verantwortung wird Ihnen niemand abnehmen. Ebenso wird Ihnen niemand den richtigen Preis für Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung nennen. Das ist das Los des Unternehmers.